13.04.17 Wurzelbehandlung

Vor einiger Zeit wollte ich einen neuen Baum pflanzen, den wir zur Eröffnung bekommen haben. Dafür musste aber erst ein abgesägter alter Baumstumpf samt Wurzel aus der Erde geholt werden. Kein leichtes Unterfangen, da der Baum sehr nah am Boden abgesägt war und somit kein langer Stumpf aus dem Boden ragte, an dem man hätte kräftig wackeln können, nach dem man mit ein paar gezielten Schlägen mit der Axt die Wurzeln rundherum durchtrennt hat. So geht es eigentlich am einfachsten, da man sich die Hebelwirkung des Baumstammes zu Nutze machen kann.

Hier war es natürlich nicht so und somit blieb mir nichts anderes übrig, als die Wurzel weiträumig auszugraben und Stück für Stück das Wurzelwerk zu durchtrennen und Baumstumpf samt Wurzel auszugraben. Wie soll ich es sagen? In den ersten zwei Stunden ist man noch motiviert und voller Elan, dem Stumpf den Garaus zu machen. Stunde drei und vier dient der Überlegung, wie man im Internet nach Sprengstoff sucht, ohne gleich dem IS zugeordnet zu werden. Stunde fünf muss man Alkohol zu sich nehmen, um die Rückenschmerzen zu bekämpfen, da der Krater um den Baumstumpf immer größer und tiefer wird und das wirklich eine sehr unergonomische Haltung ist. In Stunde sechs stellt man sich die Frage, ob man den Baumgutschein nicht lieber verfallen lässt und einfach einen großen Erdhaufen auf den Stumpf schüttet, um ihn als zukünftigen Rodelberg für die noch nicht auf der Welt befindlichen Enkelkinder zu deklarieren.

An Tag 2 hat man neuen Mut geschöpft, da man sich über Nacht eine neue Strategie ausgedacht hat:

„Tempo, Hektik, Stress – auf der Suche nach Kraft und Gelassenheit.“ So lautet der neue Selbstfindungskurs, in dem abgewrackte Manager in kleinen Gruppen einfach mal zu sich selbst Finden und mit Manneskraft und nur mit kleiner Pflanzschaufel bewaffnet eine Baumwurzel ausgraben. „Bearbeiten Sie ihre persönlichen Feinde mit blossen Händen und erleben Sie den befreienden Akt des Erfolges im Team.“ Wer rennt noch über glühende Kohlen?

Wahnsinns Idee! Ich lasse andere Leute, vorzugsweise Anzugträger, mal so richtig bis an ihre Grenze gehen. Verlange dafür 850 EUR Seminargebühren pro Teilnehmer (selbstredend zuzüglich Mehrwertsteuer allerdings mit Hotel und Verpflegung) und entledige mich dieser undankbaren Baumwurzel und darf auf meine Visitenkarte sogar noch Manager-Coaching schreiben.

Genial. Einziges Problem auf das meine Frau mich am Küchentisch während des Morgenkaffees aufmerksam machte: Der neue Baum kommt schon übermorgen und daher sollte die Wurzel nicht erst im September 2018 entfernt werden.

Dies hatte zur Folge, dass ich keine 850 Euro Kursgebühren in der Tasche hatte, aber dafür selber eine Pflanzschaufel in der Hand und all meine Feindbilder kompensiert habe und mich an das Wurzelmonster zu begeben. In Stunde 4 des zweiten Tages hatte ich dann endlich einen Tunnel in gefühlten 17 Metern unter der Wurzel gegraben, um dann mit 180 Allrad betriebenen Pferdestärken und entsprechend belastbarem Spanngurt dem Feind den Todesstoß zu versetzen.

Im übrigen saß meine Frau am Steuer, aber die Siegerpose lass ich mir natürlich nicht nehmen nach dieser Aktion.