27.12.18 Grafisch geschädigt

Heute ist kein Feiertag mehr aber trotzdem frei – das muss Urlaub sein. Schöne Weihnachtstage haben wir verlebt und das sage ich nicht aus Heuchelei, sondern aus Überzeugung. Mit der Familie, sei es von meiner Seite aus oder von Seitens meiner Frau, gibt es eigentlich nicht viel zu meckern. Klar hat jeder so seine Macken – die haben wir ja auch – aber wenn an den Weihnachtstagen gemeinsam gelacht werden kann ist im großen und ganzen doch alles okay. Und ich kenne auch Familien wo das nicht so ist und man sich nicht mal mehr mit den Allerwertesten anschaut.

Zum Glück können wir uns alle ganz gut leiden und auch wenn es natürlich hin und wieder ein paar Spannungsfelder gibt, ist alles im grünen Bereich und keiner sagt eine einberufene Familienfeier ab. Das wir nicht immer alle einer Meinung sind, sollte irgendwie bei der Vielzahl von verschiedenen Menschen, die aufeinander treffen auch verständlich sein. Wir schaffen es aber trotzdem kultiviert miteinander umzugehen und uns nicht zu zerfleischen oder böse herum zu pöbeln. Somit also auch selbstredend, dass wir heute kurz vor Celle waren, um einen Besuch bei der Schwiegerfamilie meinerseits anzutreten.

Auch heute war es wieder ein schöner Nachmittag, der bis weit in den Abend reichte. Kaffee, lecker Kuchen und Feuerschale mit Grill für das Abendessen. Alles ungezwungen und ohne Tischordnung oder Etikette. So mag ich es und genau diese Stimmung schlägt auch auf die Anwesenden über und bereitet eine entspannte Feierlichkeit. Das ganze gepaart noch mit ein paar Kaltgetränken und ortstypischen Schnäpsen, rundet die Sache schön ab. Bis auf…

Bis auf die Tatsache, dass Getränke aus Halblitergebinden natürlich auch mal wieder den Körper verlassen möchten. Und genau hier kommt es zu einem Problem. Wobei ich fairerweise sagen muss, dass es zu meinem Problem wird. Nicht, dass es in dem Haus in dem die Feierlichkeiten stattfinden keine Toilette gibt oder kein fließend Wasser. Es ist auch nicht so, dass ich ein Hygiene-Problem habe, in das Bad meiner Schwägerin zu gehen – ganz im Gegenteil, meine Schwägerin ist eine sehr ordentliche, reinliche Person, so dass ich eher ein schlechtes Gewissen haben, wenn wir die ganze Bagage bei uns zu Besuch haben. Aber leider liegt es einzig und alleine an mir, dass ich das Bad nur sehr ungerne aufsuche. Der Grund: Ich bin ich einfach krankhaft manisch grafisch geschädigt.

Um es zu verdeutlichen, muss ich leider etwas tiefer in die Kiste der Vergangenheit greifen: Ich bin ein Kind der Emanzipations-Welle. Mir wurde verinnerlicht, dass sich Mann beim Pinkeln zu setzen hat und nicht im stehen mehr Urin in der Gegend verteilt als in der Schüssel landet. Ich will dieses Thema gar nicht weiter ausführen. Es ist, wie es ist. Aber Fakt ist: Ich setze mich bei pinkeln. Und genau hier entsteht das eigentliche Problem auf der Toilette meiner Schwägerin.

Wenn ich mich setze habe ich den direkten Blick auf das Rollo, welches vor dem Fenster hängt. Und dieses Rollo macht mich fertig. Ich rege mich jedes mal so darüber auf und werde aggressiv, dass ich an mich halten muss, um dieses Rollo nicht sofort aus der Verankerung zu reissen und feierlich mit lodernder Flamme im Garten zu vernichten.

Dieses Rollo hat einen Aufdruck, der mich typografisch beleidigt. Er treibt mich in den Wahnsinn vor grafischer Geschmacklosigkeit. Es lässt mich verbittern und verzweifeln. Es macht mich traurig und wütend. Es stellen sich hierbei zwei elementare Fragen in meinem Leben: wieso hänge ich so ein Rollo auf und die viel wichtigere Frage lautet: welcher Vollpfosten hat die Produktionsfreigabe für dieses Rollo, diese typografische Verfehlung gegeben?

Fast jeder Mensch würde einen Schreibfehler erkennen und ihn als störend empfinden. Ein typografischer Fehler scheint aber null und nichtig zu sein, was mir die Tränen in die Augen treibt.

Meine Frau schüttelt den Kopf, als ich diesen Text zur Korrektur vorlege und ehrlich gesagt: Ich weiß nicht so genau, was in dem Schnaps war, den mein Schwager mir angeboten hat, aber ich wünsche Euch allen einen Guten Rutsch ins neue Jahr und vielleicht ist ja jemand von meinen Blog-Lesern dabei, der mich versteht.