Heute Morgen um fünf war unser privater Briefzusteller wieder da und hat unseren Briefkasten gefüttert. Ich bin ja immer noch der festen Überzeugung, dass dieser Brief-Bringdienst schuld am verbogenen Firmenschild ist (ich berichtete vor einiger Zeit darüber). Jedoch bin ich einfach zu faul morgens in aller Herrgottsfrühe aufzustehen und nach etwaigen Schäden am Fahrzeug des Zustelldienstes zu suchen. Somit bleibt es dabei, dass ich mich im Reich der Spekulation bewege, um deutlich später am Morgen, meist nach dem Gang mit den Hunden, einen Blick in den Briefkastenschlitz zu werfen, um zu eruieren, ob es sich lohnt den Schlüssel aus der Tasche zu kramen, damit ich den Kasten öffnen kann.
Die Tatsache, dass der Zustelldienst freudige Nachrichten überbringt, ist nahezu ausgeschlossen. So auch am heutigen Morgen. Neben der Wurfsendung, welche zu Spenden für eine Tierschutzorganisation aufruft und einer Rechnung über bestellte Ware (ja, das papierlose Büro hat sich noch nicht durchgesetzt) trudelte auch ein Schreiben meines Müllentsorgers ein. Als gewerbetreibendes Unternehmen kann ich frei wählen, wer neben den üblichen Tonnen von Papier und Restabfall meinen Müll entsorgt. Da ich eigentlich versuche, ein nachhaltiges Unternehmen zu führen, ist Abfalltrennung schon seit Jahren ein fester Bestandteil unseres Arbeitslebens und wird entsprechend praktiziert. Aber leider fallen ja unvermeidlich immer noch reichlich Plastikabfälle in Form von Folienresten und Verpackungen an, so dass wir einen Container damit befüllen können, welcher von unserem Entsorger liebevoll Abfall zur energetischen Verwertung genannt wird, was nichts anderes bedeutet, dass in diesem Behälter alles Platz findet, was in einer Müllverbrennungsanlage in Flammen auf geht. Die Verwertung bezieht sich somit also nicht auf eine Wiederverwertung, sondern dient der Befeuerung einer Verbrennungsanlage, die Energie erzeugt oder entsprechend nahliegende Behausungen mit Wärme versorgt. Das ist nicht unbedingt die Form der Entsorgung, die ich als nachhaltig betrachte, aber bei den anfallenden Kleinmengen bei uns im Betrieb bleibt mir gar keine andere Wahl, als diese Art der Entsorgung auszuwählen. Alternativen sind in unserer Region nicht vorgesehen. Ist ja auch klar, denn die teure Verbrennungsanlage rechnet sich ja nicht, wenn jeder Hans-Franz jetzt auch noch auf die obskure Idee kommt, seinen Plastikmüll so zu trennen, dass man ihn tatsächlich wiederverwerten könnte.
Bisweilen war die Handhabung unseres AzV-Mülls (so die Abkürzung unseres Mülls, mit der Hinterfragung wo das „e“ eigentlich geblieben ist, man könnte doch in der Tat meinen, dass der Abfall zur Verwertung auch verwertet wird) recht einfach. Wenn der Container von uns mit hässlichem Müll gefüllt war, wurde beim Entsorger angerufen und dieser kümmerte sich innerhalb einer Woche um die Leerung des Containers. Dafür wurde eine Rechnung gestellt und bezahlt wurde nach der Leerung und somit nach tatsächlich anfallenden Müllvolumens.
Nun trudelte aber mit besagtem Briefzustelldienst eine Änderung unseres Müllvertrages ein. Dass es eine Preissteigerung nach fünf Jahren geben würde, hatte ich eigentlich schon erwartet, schließlich gibt es ja kein einziges Unternehmen mehr, dass nicht auf die Corona-Knappheits-Welle aufspringt und zwangsläufig Preiserhöhungen ankünden muss. Aber Verknappungs-Preiserhöhung stellt sich bei uns in Sachen Müllentsorgung anders dar. Ich bin der Bösewicht! Ich produziere einfach zu wenig Müll. Weil ich versuche meinen ökologischen Fußabdruck der Firma klein zuhalten, fabrizieren wir einfach viel zu wenig Müll, um wirtschaftlich eine Abholung meines Containers zu organisieren und die Verbrennungsanlage am laufen zu halten.
Warum fühle ich mich eigentlich nicht schlecht dabei mein Müllvolumen klein zu halten? Bin ich vielleicht krank oder einfach viel zu ökologisch? Fakt ist, dass ich jetzt einer nicht nach Bedarf oder besser gesagt Volumen abhängigen Leerung meines Container zustimmen muss, sondern einwilligen soll, dass mein Container, vollkommen gleichgültig der anfallenden Füllhöhe des Abfallbehälters, eine monatlichen Leerung akzeptieren muss. Selbstredend diese auch noch zu einer Preissteigerung um ca. 25 Prozent.
Das Absurdum geht noch ein Schritt weiter. Wenn ich meinen Container nicht nur ein mal im Monat leeren lasse, sondern doppelt soviel Müll produziere, dass sich eine 14-tägige Leerung lohnt, zahle ich deutlich weniger Geld für die anfallenden Kubikmeter Abfall, als wenn ich mein Müllvolumen niedrig halte. Noch viel günstiger wird es, wenn ich so viel biestiges PVC entsorgen muss, dass wöchentlich der LKW zur Abholung kommt.
Was läuft hier falsch? Ich produziere mehr Abfall und werde durch sinkende Preise belohnt? Wie krank ist das denn? Sind da nicht eben noch zig Länderchefs in Glasgow zusammen gekommen und haben über Klima und so ein Krams philosophiert und ich bekomme deutlich bessere Entsorgungspreise, je mehr Müll ich fabriziere, der zwar gefiltert aber dennoch per Verbrennung in die Luft gepustet wird? Das ist doch krank. So wird das nix mehr mit unser lieben Mutter Erde. Das macht mich echt traurig.
Dass ich jetzt auch zusätzlich noch für mein gewerbliches Altpapier, welches in den Recyclingprozess einfliesst, bezahlen muss, ist fast nur noch nebensächlich. Obgleich sich mir die Frage stellt, warum von einer Verknappung der Altpapierressourcen in den Medien die Rede ist, und ich jetzt für dieses knappe und wertvolle Gut auf einmal zur Entsorgung Geld zahlen soll, wo es doch jahrelang ein reichhaltiges Angebot an Altpapier gab und ich das kostenlos abgeben durfte.
Es bleibt ein ganz bitterer Beigeschmack: Wenn ich meinen Müll nicht mehr trenne und mein anfallendes recyclebares Altpapier in den AzV-Container entsorge und mein Müllvolumen somit deutlich erhöhe, mache ich finanziell ein besseren Schnitt, als wenn ich umweltfreundlich denke. Wie pervers ist das denn?