Ich bin noch keine 50. Ich habe zwei gesunde, schon ganz schön erwachsene Kinder, eine Frau, die ich liebe und von der ich es weiß, dass sie selbige Zuneigung mir auch zugesteht und ich habe einen Job. Ich habe sogar einen guten Job, denn ich bin Selbstständig und das auch nicht erfolglos.
Im Prinzip könnte ich mich also glücklich schätzen und im Prinzip könnte alles so weiter gehen bis ich das Rentenalter erreiche und mich im Haus am See zur Ruhe setze und meinen Lebensabend geniesse. Allerdings gibt es ein gewaltiges Problem: Ich bin noch keine 50 und damit haben ich noch viele Arbeitsjahre vor mir und: ich bin Grafiker.
Vielen sehen jetzt sicherlich keine Veranlassung, sich runzelige Sorgenfalten auf der Stirn wachsen zu lassen und freuen sich darüber, wie schön doch ein so kreativer Beruf sein mag und wie spannend es sein muss, mal einen Werbespot für Adidas zu drehen oder die Hochglanz-Imagebroschüre für Philips zu gestalten.
Ja, das ist sicherlich spannend, aber obwohl ich schon 20 Jahre in diesem Beruf tätig bin, habe ich noch keinen Werbespot drehen dürfen und auch mit Image-Broschüren für ein Kundenklientel, welches sich solche Broschüren leistet, arbeite ich derzeit auch nicht. Wobei ich – und daher ist mein Handeln, meine Selbständigkeit ja auch erfolgreich – sehr wohl schon für Adidas und auch für Philips gearbeitet habe. Sie können jetzt aber gerne mal in der Konzernzentrale der genannten Unternehmen anrufen und nach meiner Lieferantennummer fragen. Dort wird man meine Firma nicht finden, denn ich habe zwar schon die Hand von dem ein oder anderen hohen Tier dieser Firmen geschüttelt, doch werden diese Menschen sich nicht an mich erinnern, denn meine Tätigkeiten für diese Großfirmen beschränkten sich bis lang immer auf Subunternehmer-Tätigkeiten. Viel eher noch gehen sie in den Bereich des Sub-Sub-Subunternehmers.
Ich verdiene aber trotzdem mein Geld und ganz bestimmt verdienen die Unternehmen, die mich als Subunternehmer buchen, auch noch an meiner Arbeit mit, aber solange ich meinen gewünschten Stundenlohn erhalten, soll mir diese Tatsache recht egal sein und bei allen negativen Schlagzeilen, die man über das Subunternehmertum so hört und liest, habe ich nur gute Erfahrungen gemacht, aus denen sich schon über Jahre eine intensive Zusammenarbeit entwickelt hat und sehe somit mehr Vor- als Nachteile für meine Firma, diese Arbeiten zu übernehmen. Ganz bestimmt liegt es aber auch daran, dass ich eine sehr kleine Firma habe, dass ich mich damit zufrieden geben kann und mal ehrlich, es gibt doch nur einen Bruchteil an Einzel- oder Kleinunternehmern die es schafft, die Bürotüren der Führungsspitze von Weltunternehmen zu öffnen.
Als ich mich vor 20 Jahren selbständig gemacht habe, habe ich aber überhaupt keinen Gedanken daran verschwendet, wie es nach 20 Jahren meiner selbständigen Tätigkeit denn so aussehen würde. Den einzigen Gedanke habe ich daran verschwendet, wie cool es sein wird, eigenständig zu sein und als eigener Chef zu agieren. Zum Glück, als alter Sicherheitsfanatiker, habe ich schon damals an die Rente gedacht und im Gegensatz zu vielen anderen Kollegen schon gleich mit dem ersten Tag meiner Selbständigkeit in die Private Rentenkasse eingezahlt. Nicht viel aber der Anfang war gemacht.
Heute hat man die Blauäugigkeit, die ich damals noch an den Tag legte, leider verloren. „Leider“ sage ich deswegen, weil man sich zu oft viel zu viele Gedanken macht und sich aus Sorge oder auch aus Planungswillen den Kopf blockiert, um anständig, frei und kreativ zu arbeiten.